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2012-03-14 05:45:17
Ruskin – Modigliani: Der Skandal der Schamhaare
Ausstellung: Modigliani
Datum: 23 November 2017 – 2 April 2018
Museum: Tate Museum, London.
Amedeo Modigliani wurde 1884 in Livorno (Italien) geboren und starb im Alter von 35 Jahren in Paris. Der Sohn einer Französin und eines Italieners wurde im jüdischen Glauben erzogen und wuchs so inmitten dreier Kulturen auf. Modigliani war ein leidenschaftlicher und charmanter Mann, der in seinem Leben zahlreiche Liebesbeziehungen einging. Die einzigartige visionäre Kraft des Künstlers speiste sich aus drei Quellen: Neben seiner Aufgeschlossenheit gegenüber seinem italienischen und klassischen Erbe zeigte er Verständnis für französischen Stil und französisches Feingefühl – besonders für die dichte künstlerische Atmosphäre im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts – und ein von der jüdischen Tradition inspiriertes intellektuelles Problembewusstsein. Im Gegensatz zu anderen Avantgardisten malte Modigliani vor allem Porträts, die er in seinem ganz eigenen, melancholischen Stil verfremdete und in die Länge zog, sowie Akte von erhabener Schönheit und fremdartiger Erotik.
Amedeo Modigliani wurde 1884 in Livorno (Italien) geboren und starb im Alter von 35 Jahren in Paris. Der Sohn einer Französin und eines Italieners wurde im jüdischen Glauben erzogen und wuchs so inmitten dreier Kulturen auf. Modigliani war ein leidenschaftlicher und charmanter Mann, der in seinem Leben zahlreiche Liebesbeziehungen einging. Die einzigartige visionäre Kraft des Künstlers speiste sich aus drei Quellen: Neben seiner Aufgeschlossenheit gegenüber seinem italienischen und klassischen Erbe zeigte er Verständnis für französischen Stil und französisches Feingefühl – besonders für die dichte künstlerische Atmosphäre im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts – und ein von der jüdischen Tradition inspiriertes intellektuelles Problembewusstsein. Im Gegensatz zu anderen Avantgardisten malte Modigliani vor allem Porträts, die er in seinem ganz eigenen, melancholischen Stil verfremdete und in die Länge zog, sowie Akte von erhabener Schönheit und fremdartiger Erotik.
“Ein Podest auf vier Füßen in einer Ecke des Raumes. Ein kleiner und rostiger Ofen, auf dem eine Waschschüssel aus Terrakotta stand; daneben lagen auf einem weißen Holztisch ein Handtuch und ein Stück Seife. In einer anderen Ecke diente eine schwarz angestrichene, schmale und schäbige Kiste als Sofa. Ein Korbstuhl, Staffeleien, Leinwände in allen Größen, auf dem Boden verstreute Farbtuben, Pinsel, Behälter für Terpentinöl, ein Gefäß mit Salpetersäure (für Radierungen) und keine Vorhänge.”
Modigliani war eine der prominenten Figuren im Bateau-Lavoir, dem berühmten Gebäude, in dem viele Künstler, wie beispielsweise Picasso, ihre Ateliers hatten. Seinen Namen verdankt es wohl dem Bohemien und Schriftsteller Max Jacob (1876-1944), einem Freund Modiglianis und Picassos. Es war zu dieser Zeit im Bateau-Lavoir, als Picasso Les Demoiselles d Avignon malte, die radikale und den Beginn des Kubismus markierende Darstellung einer Gruppe von Prostituierten.
Auch andere Künstler trieben im Bateau-Lavoir die Entwicklung des Kubismus voran, darunter die Maler Georges Braque (1882-1963), Jean Metzinger (1883-1956), Marie Laurencin (1885-1956), Louis Marcoussis (1883-1941) und die Bildhauer Juan Gris (1887-1927), Jacques Lipchitz (1891-1973) und Henri Laurens (1885-1954). Die lebhaften Farben und der freie Stil des Fauvismus erfreuten sich zu jener Zeit großer Beliebtheit und Modigliani lernte die Fauvisten des Bateau-Lavoir kennen, darunter André Derain (1880-1954), Maurice de Vlaminck (1876-1958), den expressionistischen Bildhauer Manolo (Manuel Martinez Hugué, 1876-1945), sowie Chaim Soutine (1893-1943), Moïse Kisling (1891-1953) und Marc Chagall (1887-1985).
In seinen Porträts hat Modigliani viele jener Künstler festgehalten. Neben Max Jacob fühlten sich auch andere Schriftsteller zu dieser Gemeinschaft hingezogen, darunter der Dichter und Kunstkritiker (und Liebhaber von Marie Laurencin) Guillaume Apollinaire (1880-1918), der Surrealist Alfred Jarry (1873-1907), der Schriftsteller, Philosoph und Fotograf Jean Cocteau (1889-1963) – mit ihm verband Modigliani ein zwiespältiges Verhältnis – und André Salmon (1881-1969), der später einen für die Bühne bearbeiteten Roman über das unkonventionelle Leben Modiglianis schrieb. Auch die amerikanische Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein (1874-1946) und ihr Bruder Leo zählten zu den regelmäßigen Besuchern im Bateau-Lavoir.
Von seinen Freunden “Modi” genannt, zweifellos ein Wortspiel mit dem Begriff “peintre maudit” (verfluchter Maler), war er selbst davon überzeugt, dass sich die Bedürfnisse und Wünsche des Künstlers von denen gewöhnlicher Menschen unterschieden. Daraus leitete er ab, dass auch sein Leben anders beurteilt werden sollte – eine Theorie, auf die ihn die Lektüre von Autoren wie Friedrich Nietzsche (1844-1900), Charles Baudelaire (1821-67) und Gabriele d Annunzio (1863-1938) brachte.
Modigliani hatte zahllose Affären, trank reichlich und nahm Drogen. Von Zeit zu Zeit kehrte er jedoch nach Italien zurück, um seine Familie zu besuchen und um sich zu erholen. In seiner Kindheit hatte Modigliani unter einer Rippenfellentzündung und Typhus gelitten, Krankheiten, von denen er sich nie wieder vollständig erholte. Verschärft wurde sein bedenklicher Gesundheitszustand durch den ständigen Geldmangel und sein unstetes und zügelloses Leben.
Als er an Tuberkulose starb, war seine junge Verlobte Jeanne Hébuterne gerade mit dem zweiten gemeinsamen Kind schwanger. Doch ohne ihn erschien ihr das Leben unerträglich und sie nahm sich am Morgen nach seinem Tode das Leben.
Arcimboldo: Die große “ABBUFFATA”: Eine italienische Tradition Von Arcimboldo bis Marc Ferrari
Ausstellung: La grande bouffe : peintures comiques dans l’Italie de la Renaissance
Datum: 28. Oktober 2017 — 11. März 2018
Museum: The Musée Saint Léger in Soissons, France.
Arcimboldo
(1527 – 1593)
Als Sohn des Malers Biagio Arcimboldo und der Chiara Parisi wurde Giuseppe Arcimboldo 1527 in Mailand geboren. Die Familie, von vornehmer Herkunft, stammte ursprünglich aus Süddeutschland. Während des Mittelalters siedelten sich Teile seiner Familie dann in der Lombardei an. Im Laufe der Zeit haben sich sehr verschiedene Schreibweisen des Familiennamens herausgebildet: Arcimboldi, Arisnbodle, Arcsimbaldo, Arzimbaldo oder auch Arczimboldo, wobei die Suffixe „boldo” und „baldo” Überbleibsel aus dem germanischen Mittelalter sind. Ebenso hat auch Arcimboldo selbst, bei der Signatur seiner Werke, seinen Vornamen in verschiedenen Varianten ausgeführt: Giuseppe, Josephus, Joseph oder Josepho.
In seinem Werk Della nobilità di Milano („Über den Adel Mailands“) verfolgt Paolo Morigia die Geschichte der Familie Arcimboldo und bestätigt, auch wenn die Quellen im Allgemeinen sehr ungesichert sind, seine adlige Abstammung, indem er seine Wurzeln bis in die Zeit Karls des Großen zurückverfolgt: Ein Adliger mit dem Namen Sigfrid Arcimboldo diente am Hof des Kaisers. Unter den sechzehn Arcimboldo-Kindern wurden drei geadelt, wovon sich eines dann in der Lombardei niederließ. Hier beginnt der italienische Familienzweig. Um seine Aussage zu bekräftigen, schreibt Morigia, dass er sich „direkt auf M. Giuseppe Arcimboldo, einen vertrauenswürdigen und angesehen Ehrenmann” beruft.
In demselben Werk entwickelt Morigia im Weiteren die Geschichte der Familie Arcimboldo. Er beschränkt sich in seinen Ausführungen allerdings nur auf den italienischen, in Mailand lebenden Zweig. Er legt dar, dass der Witwer Guido Antonio Arcimboldo, der Ur- Ur-Großvater von Guiseppe, als Nachfolger seines verstorbenen Bruders, Giovanni Arcimboldo, 1489 zum Erzbischof von Mailand gewählt wurde. Zwischen 1550 und 1555 regierte dann Giovanni Angelo Arcimboldo, der leibliche Sohn Guido Antonios, als Erzbischof von Mailand. Er war es, der Giuseppe nicht nur beriet, sondern ihn auch unter den Künstlern, Philosophen und Schriftstellern des Mailänder Hofes einführte.
In Mailand wurde Arcimboldo von seinem Vater und den Künstlern der lombardischen Schule wie Giuseppe Meda (in Mailand tätig von 1551 bis 1559) und Bernardino Campi (1522 bis 1591), einem angesehenen Maler Cremonas, in den Techniken der Kunst unterrichtet. Auch spiegelt sich eine ganz spezielle Faszination für die Kunst und Wissenschaft Leonardo da Vincis in seiner Kunst wider. Denn sein Vater, Biagio, hatte das Glück, ein guter Freund von Bernardino Luini, einem Schüler da Vincis, zu sein, der beim Tod Leonardos eine Vielzahl seiner Skizzenbücher und Aufzeichnungen erbte. Biagio Arcimboldo studierte diese Schriften intensiv und lehrte einige Jahre später seinen Sohn Guiseppe den künstlerischen Stil und die Wissenschaften Leonardos.
Die italienischen Künstler Biagio, Meda und Campi standen in engen Kontakt zu den deutschen Künstlern, die an den Projekten für den Mailänder Dom arbeiteten. Auch entwarfen sie die Wandgestaltungen für die Familie der Medici. Den Archiven des Mailänder Doms zufolge etablierte sich Arcimboldo 1549 als Meister und arbeitete zusammen mit seinem Vater an der Malerei und den Zeichnungen für die Glasfenster, dieOrgeltüren und den Altarhimmel des Gotteshauses. Die wichtigsten Glasfenster, in der Apsis, illustrieren die Geschichte des Lebens der heiligen Katharina von Alexandrien. Die christliche Legende beschreibt das Martyrium Katharinas, die sich weigerte, den heidnischen Göttern zu huldigen.
Die Szene basiert auf einer Kombination aus klassischen Motiven (Amphoren, Girlanden und Putti) und christlichen Symbolen (Thron, Jakobsmuscheln und Zeremonieschmuck). Die architektonische und ornamentale Konzeption spiegelt den Illusionismus der Kunst und den manieristischen Geschmack wider. Diese Formen, denen er auch in der Kunst des Mailänders Gaudenzio Ferrari (1474 bis 1546), der ebenfalls an den Glasfenstern der Kathedrale arbeitete, begegnete, weisen zudem einen eindeutigen Einfluss Leonardos auf Arcimboldo auf.
Ein Dokument aus den Archiven, datiert auf das Jahr 1556, belegt, dass die Zeichnungen Arcimboldos für diesen Auftrag von Corrado de Mochis, Glasmachermeister in Köln, in Glas übertragen wurden. Zu dieser Zeit malte Arcimboldo fünf emblematische Insignien (heute verschollen) für Ferdinand, König von Böhmen, später Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Nach dem Tod seines Vaters 1551 arbeitete Arcimboldo weiterhin in der Lombardei, bis er 1558 nach Como und Monza ging. Er entwarf Zeichnungen zu Themen des Alten und Neuen Testaments für die Wandgestaltung der Kathedrale von Como, nach denen die Künstler Johannes und Ludwig Karcher (aktiv von 1517 bis 1561), für die Manufacture des Gobelins tätig, einen Wandteppich realisierten. Die Namen der Teppichweber erscheinen auf einem Rouleau des Teppichs. Arcimboldo entwirft acht Szenen, die von herrlichen, mit Blumen, Früchten, Pergamenten und klassischen grotteschi verzierten Bordüren geschmückt sind, die auch die Szene mit dem Tod der Jungfrau zieren: In einem privaten Garten, ein Hortus conclusus, der die Architektur des Mittelalters und der Renaissance zeigt, sitzt die Jungfrau auf einem Sarg, umringt von trauernden Aposteln, während die Kirche Santa Maria delle Grazie den Hintergund einnimmt…
Rodin − Rilke − Hofmannsthal. Der Mensch und sein Genie
Datum: Nov 17, 2017 − Mar 18, 2018
Museum: Staatliche Museen zu Berlin
Auguste Rodin
Auf der wichtigsten jährlichen Kunstausstellung in Paris, dem Salon, stellte der Bildhauer Auguste Rodin im Jahr 1898 zwei gewaltige Statuen aus – Der Kuss und Denkmal für Balzac. Er war damals achtundfünfzig Jahre alt und näherte sich dem Höhepunkt seines Ruhmes.
Es war sowohl eine Geste der Herausforderung als auch eine für ihn typisch kühne Antwort auf widrige berufliche und private Umstände (seine Geliebte, Camille Claudel, hatte kurz zuvor die Beziehung mit ihm beendet). Eigentlich hatten die Dimensionen des sich in Der Kuss umarmenden Paares sehr viel kleiner ausfallen sollen, um auf einem massiven Portal Platz zu finden, das von der französischen Regierung für ein geplantes Musée des Arts decoratifs in Auftrag gegeben worden war.
Rodin hatte an den Türen, bekannt als Das Höllentor, bereits fast zwanzig Jahre lang gearbeitet; bis sich dann im Jahr 1898 jedoch herausstellte, dass das Museum nie gebaut werden würde. In jenem Jahr gestaltete Rodin das Paar als sehr viel größere Marmorplastik für den Salon.
Auch die Skulptur des Balzac war ursprünglich ein später abgelehntes Denkmal, das von einer literarischen Gesellschaft 1891 in Auftrag gegeben wurde, um des herausragenden Schriftstellers des 19. Jahrhunderts zu gedenken. Nach sieben Jahren vorbereitender Studien hatte sich Rodin entschlossen, das Werk auszustellen, um seine Kritiker davon zu überzeugen, dass sich das Projekt der Vollendung näherte. Als das für den Auftrag verantwortliche Komitee das grob in Gips modellierte Werk im Salon sah, wies es die Arbeit zurück und kündigte den mit Rodin abgeschlossenen Vertrag.
Zweifellos verströmen beide Werke, so antithetisch ihr Stil auch sein mag, unübersehbar erotische Energien – ein offensichtlicher Hinweis darauf, dass die Erotik, die Sinnlichkeit und die Sexualität im Leben und Werk Rodins einen zentralen Bestandteil darstellten.
Gleichwohl ist der erste Eindruck beider Skulpturen natürlich stärker von ihrer Unterschiedlichkeit geprägt. Wenn selbst uns die Vorstellung noch immer in Erstaunen versetzt, dass diese beiden Werke von ein und demselben Menschen geschaffen wurden, so waren die gut gekleideten Pariser Besucher, die sie als Blickfang im Salon ausgestellt sahen, zumindest gleichermaßen, wenn nicht noch viel stärker, davon überrascht.
Der Kuss ist ebenmäßig aus schimmerndem, weißem Marmor gehauen, das Liebespaar idealisiert und als Protagonisten von göttlicher Schönheit dargestellt. Der Balzac dagegen, roh aus Gips geformt (andere Versionen in Bronze und Marmor wurden erst später angefertigt), ist mit seinem zerklüfteten Profil, seiner rauen Struktur und einer mehr oder weniger völligen Missachtung anatomischer Details, fehlender Sorgfalt und mangelnder Oberflächenbehandlung von wuchtiger Hässlichkeit. In Der Kuss vollführt das umschlungene Paar eine erregende, beinahe komödiantische Umarmung.
Die Figuren waren ursprünglich von Dantes Liebenden, Paolo und Francesca, deren inzestuöse Beziehung nur zur Verdammnis führen konnte, inspiriert, hier jedoch geben sie nichts von ihrem furchtbaren, tragischen Schicksal preis (Rodin schuf für die Türen eine andere, dunklere Version)…
Ausstellung: “Rubens. The Power of Transformation”
Datum: Feb 8 − May 28, 2018
Museum: Stadel Museum
Peter Paul Rubens, der große flämische Künstler des 17. Jahrhunderts, ist weltberühmt und die Bedeutung, die seinem Schaffen in der Entwicklung der europäischen Kultur zukommt, ist allgemein anerkannt.
Die Erkenntnis, dass das 17. Jahrhundert für Rubens, verglichen mit der nachfolgenden Zeit, ein geringeres Interesse aufbrachte, mag uns heute befremden. Denn die Zeitgenossen rühmten ihn ja als den ıApelles des Jahrhunderts„. Doch in den ersten Jahrzehnten nach dem Tode des Künstlers im Jahr 1640 war der Glanz seines in ganz Europa strahlenden Ruhmes erloschen. Dies erklärt sich aus den Vorgängen, die in Europa einen historischen Wendepunkt einläuteten.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Herausbildung der Nationen und der absolutistischen Staaten an der Tagesordnung. Der neue Gehalt, der aus Rubens Werken sprach, musste auf die an nationaler Selbstbehauptung interessierten Schichten der europäischen Länder, die den gleichen Weg betreten hatten, wie eine Offenbarung wirken.
Die hohe Wertschätzung der objektiven sinnlichen Welt, die der Künstler in seinem Schaffen verkündete, die Verherrlichung des Menschen und die Behauptung seines Platzes im Universum, das aus heftigen sozialen Auseinandersetzungen geborene heroische Pathos, das sich in einer äußersten Anspannung aller geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Menschen ausdrückte, erhob die Kunst RubensÊ in den Kämpfen der Zeit zum Banner, denn sie verkörperte ein Ideal, um das es sich zu kämpfen lohnte.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Lage in Westeuropa dagegen eine grundsätzlich andere: Der Absolutismus hatte gesiegt: in Deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg, in Frankreich nach der Fronde, in England infolge der Restauration. Die ganze Gesellschaft wurde von einer immer heftiger werdenden Auseinandersetzung zwischen den konservativen und progressiven Mächten ergriffen. Dies zog eine ıUmwälzung aller Werte„ im Lager der reaktionär gesinnten privilegierten Schichten nach sich, ein Vorgang, der gegenüber Rubens ein widerspruchsvolles, zwiespältiges, sich nun in ganz Europa in demselben Maße ausbreitendes Verhältnis hervorrief wie sein Ruhm zu seinen Lebzeiten.
Erst im 18. Jahrhundert erwacht ein neues Interesse für Rubens. In den weit über dreihundertsechzig Jahre, die seit dem Tode des Künstlers vergangen sind, hat sein künstlerisches Erbe, dessen unmittelbarer ästhetischer Wert sich als bleibend erwies, unterschiedliche Interpretationen erfahren. Da die unter verschiedenen historischen Bedingungen jeweils herrschende Ästhetik nicht umhin konnte, die unleugbare Wirkung seiner Kunstwerke zur Kenntnis zu nehmen, suchte sie diese Wirkung in eine gewünschte Richtung zu lenken. Das ganze Wirken und Schaffen RubensÊ war so zeitgebunden, dass die Distanz, die für eine gültige Bewertung nötig ist, für die Zeitgenossen unerreichbar bleiben musste. Ein zeitgenössisches Schrifttum über Rubens gibt es nicht. Nur begeisterte Lobeshymnen und Dichtungen, in denen das Werk des Meisters verherrlicht wird, geben uns Kunde von der hohen Anerkennung, die er bei seinen Zeitgenossen gefunden hatte…
Seit dem Revival des Jugendstils in den 1960er Jahren, als Studenten in aller Welt ihre Zimmer mit Reproduktionen der Plakate Muchas von Mädchen mit rankenartigen Haaren schmückten und die Illustratoren von Schallplattenhüllen Mucha-Imitationen in halluzinatorischen Farben produzierten, wird Alfons Muchas Name unvermeidlich mit dem Jugendstil und dem Paris der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert assoziiert. Künstler mögen es nicht, kategorisiert zu werden, und Mucha hätte sich darüber geärgert, nahezu allein wegen einer Phase in seiner Kunst in Erinnerung zu bleiben, die lediglich zehn Jahre umfasste und die er für weniger wichtig hielt. Als leidenschaftlicher tschechischer Patriot wäre er ebenfalls unglücklich darüber gewesen, als Pariser Künstler zu gelten.
Mucha wurde am 14. Juli 1860 in Ivanèice in Mähren geboren, damals eine Provinz des Habsburgerreiches, das bereits unter dem Druck des wachsenden Nationalismus seiner vielen Völkerschaften wankte. Im Jahr vor Muchas Geburt erhielten die nationalen Bestrebungen innerhalb des Habsburgerreiches durch die der Vereinigung Italiens vorangehende Niederlage der österreichischen Armee in der Lombardei Auftrieb. Während des ersten Lebensjahrzehnts Muchas artikulierte sich der tschechische Nationalismus nicht nur in den orchestralen Tongedichten von Bedrich Smetana, die er unter dem Namen Ma Vlast (Mein Land) zusammenfasste, sondern auch in seiner großen epischen Oper Dalibor (1868).
Es war symptomatisch für den tschechischen nationalen Kampf gegen die kulturelle deutsche Hegemonie über Zentraleuropa, dass der Text von Dalibor in Deutsch geschrieben und ins Tschechische übersetzt werden musste. Von seinen ersten Lebensjahren an nahm Mucha die berauschende und leidenschaftliche Atmosphäre des slawischen Nationalismus in sich auf, die Dalibor und Smetanas folgendes Historienspiel Libuse charakterisierte, mit dem 1881 das Tschechische Nationaltheater eröffnete und für das Mucha später Bühnenbild und Kostüme entwerfen sollte.
Mucha wuchs als der Sohn eines Gerichtsdieners in relativ bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Sohn Jiri Mucha sollte später voller Stolz die Familie Mucha in der Stadt Ivanèice bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Aber auch wenn Muchas Familie relativ arm war, fehlte es in seiner Erziehung nicht an künstlerischer Stimulation und Ermutigung. Sein Sohn Jiri berichtet:
„Er zeichnete, noch bevor er zu gehen lernte, und seine Mutter band mit einem farbigen Band einen Bleistift um seinen Hals, so dass er malen konnte, während er über den Boden kroch. Jedes Mal, wenn er den Bleistift verlor, fing er an zu heulen.“
Seine erste wichtige ästhetische Erfahrung dürfte Mucha in der Barockkirche St. Peter in der Provinzhauptstadt Brno gehabt haben, wo er als schon als zehnjähriger Chorjunge sang, um seine Studien in der Grammatikschule zu finanzieren. Während seiner vier Jahre als Chorknabe hatte er regelmäßigen Kontakt mit dem sechs Jahre älteren Leoš Janáèek, dem großen tschechischen Komponisten seiner Generation, mit dem er das Bestreben teilte, eine ausgeprägt tschechische Kunst zu erschaffen.
Die üppige Theatralik des zentraleuropäischen Barock mit seinem prächtigen, mit vielen Rundungen versehenen und von der Natur inspirierten Dekor regte ohne Zweifel Muchas Fantasie an und nährte seine dauerhafte Vorliebe für „Glocken und Gerüche“ und religiöse Gegenstände. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes beschrieb jemand sein Atelier als „… eine säkuläre Kapelle … hier und dort stehen Trennwände, bei denen es sich gut um Beichtstühle handeln könnte; und die ganze Zeit brennt Weihrauch. Es erinnert mehr an die Kapelle eines orientalischen Mönchs als an ein Atelier.“
Am Ende des 19. Jahrhunderts sah Westeuropa die Geburt einer großen Erneuerung im Bereich der angewandten Künste. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf der Naturnachahmung. In der Tat wurden in den 1860er Jahren entscheidende wissenschaftliche Arbeiten (von Haeckel, Kommode, Blossfeldt, u.a.) veröffentlicht, die der neuen Kunst ein Formenrepertoire boten und in Richtung Moderne verwiesen.
Parallel dazu entwickelte sich ein Geschmack für japanische Kunst durch Persönlichkeiten wie Hayashi Tadamasa, einem Kunsthändler, der sich in Frankreich niederließ und somit Westeuropa die Entdeckung der japanischen Produktionsweisen ermöglichte. Die japanische Kunst basiert auf der Naturbeobachtung – der poetischen Interpretation natürlicher Formen. Wissenschaft und Kunst wiesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ähnliche Tendenz in Richtung Erneuerung auf.
Dies ging Hand in Hand mit einem künstlerischen Erwachen der Nationalitäten in ganz Westeuropa. Es war nicht mehr nur eine Frage des vergangenen oder ausländischen Geschmacks. Stattdessen entwickelte jede Nation ihre eigene Ästhetik. Des Weiteren bestand die Notwendigkeit, Dekorationen zu reduzieren, nützliche Verzierungen und Objekte in den Vordergrund zu rücken. Dies war durch verschiedene Tendenzen während des Jahrhunderts verboten gewesen: „[In diesem Jahrhundert] gibt es keine Volkskunst“, sagte Émile Gallé 1900. Aber in den 1870er bis 1880er Jahren kehrten diese Kräfte zurück.
Was in der Vergangenheit als überflüssig erschienen war, erfuhr schließlich erneute Beachtung auf dem Gebiet der Kunst. All diese Ereignisse fanden in Westeuropa zur gleichen Zeit statt und führten im späten 19. Jahrhundert zur Geburt des Art nouveau (dt. Jugendstil), dessen Name perfekt auf die Erneuerungen verwies. Obwohl häufig eine stilistische Ähnlichkeit bestand, variierte die formale Entwicklung des Jugendstils von Land zu Land.
Die Pariser Weltausstellung von 1889 spiegelte das Ausmaß des Jugendstil-Einflusses wider: er betraf nicht nur sämtliche Bereiche der Kunstschöpfung, sondern auch die nationalen Gegebenheiten. In Frankreich explodierte der Jugendstil im Jahr 1895 zur gleichen Zeit, als die Plakate von Alfons Mucha für Sarah Bernhardt in der Rolle der Gismonda für Furore sorgten. Im Dezember des gleichen Jahres eröffnete Siegfried Bing, ein Kunsthändler mit deutschen Wurzeln, aber französischer Staatsbürgerschaft, eine Galerie, die sich vollkommen dem Jugendstil widmete, und leistete somit einen großen Beitrag zur Verbreitung des neuen Genres.
Auf dem Gebiet der angewandten Kunst erlangte Émile Gallé – ein in Nancy geborener Glasmacher, Tischler und Töpfer – über ein Jahrzehnt Berühmtheit mit seinen Kunstwerken im Jugendstil. Seine Leidenschaft für die Botanik nahm er durch den Handel mit Fayencen und Glaswaren seines Vaters im Jahr 1877 auf. Seine Inspiration bekam er durch die Natur, aber auch die japanischen Künstler, die er sammelte. Er entwickelte neue Techniken, beantragte Patente und führte verschiedene Schritte der Arbeitsteilung, ein Erbe der Industriellen Revolution, in seinen Werkstätten ein. Während der Weltausstellung 1889 erhielt Gallé drei Auszeichnungen für seine Entwürfe, jeweils in einer anderen Kategorie. Daher erhielt er vom Kritiker Roger Marx den Beinamen homo triplex.
Im Jahr 1901 gründete Gallé zusammen mit Victor Prouvé (1858-1943), Louis Majorelle (1859-1926) und Eugène Vallin (1856-1922) die Alliance des Industries d‘Art, bekannt auch unter dem Namen Schule von Nancy. Ihr Ziel war es, die Trennung zwischen den Disziplinen abzubauen: Es sollte kein Unterschied mehr zwischen den erfahrenen und unerfahrenen Künstlern geben. Die Natur ist die Grundlage seiner Ästhetik, somit die Erschaffung von Blumen- und Pflanzenstilisierungen.
Diese Übertragungen mussten industriell gefertigt werden können. Jedoch, nachdem der Jugendstil seinen Höhepunkt im Jahr 1900 erreicht hatte, verschwand er schnell wieder aus der Welt der Kunst. Im Gegensatz zu seinem vorrangigen Anspruch ist der Jugendstil eigentlich ein eher luxuriöser Stil und schwierig in großen Mengen reproduzierbar. Die Weltausstellung von Turin im Jahr 1902 zeigte, dass sich bereits eine neue Kunstbewegung etablierte, der Art déco.
Die Präraffaeliten: Die revolutionäre Bruderschaft: Rückkehr ins Mittelalter
Ausstellung: Reflections: Van Eyck and the Pre-Raphaelites
Datum: Bis 2. April 2018
Museum: National Gallery London
DIE ENGLISCHE KUNST IM JAHRE 1844
Bis 1848 rief die Kunst in England Bewunderung hervor, aber sie provozierte kein Erstaunen. Joshua Reynolds und Thomas Gainsborough waren große Meister, aber sie schufen Malerei des 18. Jahrhunderts und keine typisch englische Malerei des 19. Jahrhunderts. Ihre Modelle waren es, die Ladies und Misses, die ihren Gestalten ein englisches Flair gaben und nicht ihr Pinselstrich. Ihre Ästhetik war die des gesamten Europas zu ihrer Zeit.
Wenn man die Säle der Londoner Museen durchstreifte, sah man zwar andere Bilder, jedoch nicht eine andere Art zu malen, zu zeichnen oder nach einem Motiv zu komponieren oder zu entwerfen. Nur die Landschaftsmaler, mit William Turner und John Constable an der Spitze, brachten von Beginn des Jahrhunderts an eine neue, kräftige Note ein.
Aber Turner blieb der einzige seiner Art, der in seiner Heimat so wenige Nachahmer fand. John Constable wurde so rasch von den Franzosen eingeholt und auch überholt, dass er viel mehr die Ehre hatte, in Europa eine neue Richtung zu begründen, als das Glück, seinem Land eine nationale Kunst zu sichern. Was die anderen Maler anbelangt, so hatten sie mehr oder weniger Geschick darin, so zu malen, wie überall gemalt wurde.
Nicht nur für ihre Hunde, auch für ihre Pferde, ihre Szenen der Kirchturmpolitik, für all die kleinen Genreszenen und häuslichen Szenen, die sie jedoch nicht so gut beherrschten wie die niederländischen Maler, interessierte man sich nur kurz.
Eine glatt rasierte, blank gescheuerte, auf Teer aufgebrachte Malerei, die falsch und kraftlos war, süßlich, aber nicht fein, zu schwarz in den Schatten und zu schimmernd in den lichten Stellen.
Eine weiche, zögernde, vage verallgemeinernde Zeichnung. Und als sich das gefürchtete Jahr 1850 näherte, drängten sich Constables Worte des Jahres 1821 auf: “In dreißig Jahren wird die englische Kunst nicht mehr sein.”
Wenn man jedoch genau hinsieht, waren zwei Merkmale doch unterschwellig vorhanden.Zuerst der intellektuelle Anspruch des Themas. Die Engländer haben sich schon immer darum bemüht, interessante oder sogar etwas komplizierte Szenen zu finden, bei denen der Geist ebenso viel zu fassen hat wie die Augen, bei denen Neugier geweckt wird, bei denen das Gedächtnis gefordert wird, bei denen eine stumme Geschichte ein Lachen oder Weinen hervorruft. Schon setzte sich diese Idee durch, die übrigens bei William Hogarth klar erkennbar ist, dass der Pinsel nicht nur abbilden, sondern auch schreiben, belehren und erzählen kann.
Nur, was er vor 1850 erzählte, waren kleinliche Handlungen; was er ausdrückte, waren kleine Fehler, Peinlichkeiten oder bornierte Gefühle; was er dabei hervorhob, waren die Regeln des guten Benimms. Er spielte die Rolle jener Bilderhefte, die man den Kindern gab, um ihnen zu zeigen, wohin Lüge, Faulheit oder Naschhaftigkeit führen können.
Ausstellung: Toulouse-Lautrec and the Pleasures of the Belle Époque
Datum: Feb 8 – Mai 6 , 2018
Museum: Canal de Isabel II Foundation , Madrid.
Ein frustrierter und erfolgloser Künstler klagte in einer Illustration in der politischsatirischen Wochenschrift Simplicissimus des Jahres 1910, inmitten seines chaotischen Familienlebens mit schreienden Kindern, auf dem Boden verstreuten Spielsachen und einer Ehefrau, die auf einer im Atelier gespannten Leine die Wäsche aufhängt, zu malen versucht, folgendes:
Wäre man Franzose, tot, pervers – oder am besten alles zusammen: ein toter, perverser Franzose – ja, dann könnte man leben!„
Der Gedanke der Unvereinbarkeit von Genius und Häuslichkeit war sicherlich nicht neu, doch zeigt der Ausspruch des Künstlers, wie schnell Geschichten über das turbulente Leben und den frühen Tod der beiden Maler Henri de Toulouse-Lautrec und Paul Gauguin zum Gegenstand volkstümlicher Legenden wurden. Mehr als viele andere trugen Lautrec, der im Jahre 1901 als 37-Jähriger und Gauguin, der als 55-Jähriger im Jahre 1903 starb, sowie Vincent van Gogh, gebürtiger Holländer und Wahlfranzose, dazu bei, die landläufige Meinung von einem Künstler des 20. Jahrhunderts zu prägen.
Obgleich die Idee vom Künstler als einem sich selbst zerstörenden Außenseiter am Ende des 19. Jahrhunderts mit Toulouse-Lautrec, Gauguin und van Gogh ihren Höhepunkt erreichte, lässt sich ihr Ursprung doch bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zurückverfolgen, als politische, kulturelle und ökonomische Umwälzungen verändernd auf die Sichtweise der Künstler von sich selbst und ihre Beziehung zur Umwelt einwirkten. Im Jahre 1765 malte Maurice Quentin de La Tour, Pastellmaler im ,Ancien Régime’, sich selbst als hoffnungsvollen Höfling mit gepuderter Perücke, Samtjacke und gewinnendem Lächeln.
Sein Zeitgenosse Chardin stellte sich, wenn auch weniger selbstgefällig und praktischer gekleidet, ebenfalls als wohlwollendes und zufriedenes Mitglied der Gesellschaft von niedrigerem Rang dar. Aber zwei oder drei Jahrzehnte später war dieses wohlwollende Lächeln auf den Gesichtern der neuen Generation von jungen Künstlern wie Jacques-Louis David, Heinrich Füßli und William Turner verschwunden. Das waren junge Männer mit kompliziertem, ja sogar gestörtem Gemütsleben, deren wilder Blick dem Betrachter herausfordernd aus den Selbstporträts entgegensah.
Eine Verbindung zwischen den ärgerlichen jungen Männern der Romantik und den ,peintres maudits’ (den ,verdammten Malern’) des ausgehenden 19. Jahrhunderts bildete Gustave Courbet, der in den 1840er bis 1850er Jahren mit einer Reihe von Selbstporträts den Mythos des Künstlers als Außenseiter begründete, der dann in dem berühmten Bild Bonjour M. Courbet (Guten Tag, Monsieur Courbet) gipfelte.
Durch die unkonventionelle, bohemehafte Erscheinung und die arrogant-vornehme Körperhaltung, in der Courbet seinen wohlhabenden, bürgerlichen Gönner grüßt, stellt das Bild eine Verhöhnung gesellschaftlicher Gepflogenheiten dar. Toulouse-Lautrec gefiel sich ebenfalls in der Rolle des unkonventionellen Außenseiters und zelebrierte diese Haltung in einer Serie kunstvoll arrangierter Gruppenfotos, die ihn selbst mit seinen Freunden in unerhört geschmackloser Maskerade darstellen.
William Morris: Ein Muster ist entweder richtig oder falsch … Es ist nicht stärker als sein schwächster Punkt
Ausstellung: William Morris and the Arts & Crafts movement in Great Britain
Datum: 22. Februar – 20. Mai 2018
Museum: Museu Nacional d’Art de Catalunya | Barcelona Spain
Das ästhetische Unbehagen, das sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts auszubreiten begann und bis in die heutige Zeit anhält, ist von anderer Art als jenes, unter dem vorangegangene Epochen litten. Auch wenn sich schon unsere Vorfahren gerne darüber beschwerten, dass die Kunst ihrer Zeit weniger gut oder schön sei als die Kunst der Vergangenheit, war man über diese Minderwertigkeit niemals zuvor so bestürzt gewesen noch hatte man sie in diesem Ausmaß als einen Vorwurf gegen die eigene Zivilisation und als Symptom einer Gesellschaftskrankheit gesehen.
Wir, die wir heute in vieler Hinsicht so viel mächtiger sind als frühere Generationen, schämen uns, dass wir in künstlerischer Hinsicht unfähiger sind als viele der so genannten unzivilisierten Völker. Tatsächlich sind wir heute in der Lage, Dinge zu produzieren, die niemals zuvor produziert wurden; aber wir beseelen sie nicht mit unseren Gefühlen. Die neuen Städte, die wir in so kurzer Zeit gebaut haben und die sich so rasant ausdehnen, scheinen uns im Vergleich zu den kleinen, langsam gewachsenen Städten der Vergangenheit entweder stumpf und ausdruckslos oder aber pompös – der Ausdruck von etwas, das wir lieber nicht hätten ausdrücken mögen. Genau dies meinen wir, wenn wir die Hässlichkeit moderner Artefakte beklagen, die uns entweder nichts sagen oder etwas, was wir nicht hören mögen, so dass uns eine Welt ohne sie lieber wäre.
In unserer modernen Welt besteht ein krasser Gegensatz zwischen der Schönheit der Natur und der Hässlichkeit der vom Menschen geschaffenen Erzeugnisse, der in vergangenen Epochen gar nicht oder nur in sehr viel geringerem Maß spürbar war. In unseren Augen verunzieren die Städte die Landschaft, ja selbst ein einziges modernes Haus kommt uns vor wie ein Schandfleck auf der Erde.
Bis ins 18. Jahrhundert verstand der Handwerker seine Arbeit als eine Verschönerung der Natur – oder zumindest als mit der Natur in vollkommener Harmonie stehend. Noch heute spüren wir diese Harmonie in einer Dorfkirche, einem alten Landhaus oder einem alten Cottage mit Strohdach, so einfach diese Bauten auch von der Konstruktion her sein mögen, und fragen uns, worin das uns offenbar abhanden gekommene Geheimnis besteht.
Der Verlust dieses Geheimnisses liegt in der Zeit zwischen 1790 und 1830. Sicher, auch vor dieser Zeit gab es aufwändige Kunstwerke, die man nur als hässlich bezeichnen kann, doch danach wurde plötzlich alles hässlich, nicht allein durch eine perverse Verkünstelung, sondern durch schäbige Handwerksarbeit, minderwertigere Materialien und mangelnde Entwurfskraft. Es trat eine erschreckende Nivellierung des allgemeinen Geschmacks ein. Um die Mitte des 18.
Jahrhunderts kamen sowohl in England als auch in Frankreich „dekadente“ Möbel auf, die nicht für den täglichen Gebrauch, sondern als Luxus für die Reichen gedacht waren: Die satten Vertreter der Bourgeoisie umgaben sich mit einer Fassade geschmackloser Prunkstücke. Die Möbel für den praktischen Gebrauch hingegen waren nach wie vor schlicht und einfach, von solider handwerklicher Qualität und ausgewogen proportioniert. Es wurden pompöse Paläste gebaut und prunkvoll ausgestattet, während die Häuser bescheiden konstruiert und einfach möbliert waren. Was immer die Handwerker ohne künstlerische Ansprüche schufen, fertigten sie mit Geschick und in guter Qualität; ihre Arbeit war von einer unaufdringlichen, unbewussten Schönheit, die keine Aufmerksamkeit auf sich zog – bis es zu spät und das Geheimnis verloren war. Als dann die Katastrophe eintrat, betraf sie weniger die von wohlhabenden Gönnern unterstützten „höheren“ Künste wie die Malerei, sondern die angewandten oder „geringeren“
Künste, die auf eine unbewusste, universale Vorliebe für schlichtes Design und gute Handwerksarbeit gründen. Noch gab es große Maler wie Joseph M. W. Turner und John Constable, doch weder Arme noch Reiche konnten Möbel oder Dinge des täglichen Bedarfs kaufen, die anders als hässlich waren. Jedes neue Gebäude war entweder vulgär oder abstoßend oder gar beides. Wo man auch hinsah, überall paarten sich hässliche, unnütze Ornamente mit schlechter Verarbeitung und schäbigen Materialien.
Hinrichtung des Heiligen Jakobus, ca. 1448-1457. Fresko. Ovetari-Kapelle,
Kirche der Eremiten des Hl. Augustinus, Padua.
Die Kunst von Andrea Mantegna (ca.1431 bis 1506) hat sich über lange Zeit einen großen Reiz bewahrt. Von dem eindrucksvollen Illusionismus seiner frühesten Werke bis hin zu der narrativen Kraft seiner reifen Bilder blieb Mantegnas Kunst dramatisch, heroisch, lebendig und emotional. Seine Bilder weisen einen beeindruckenden Detailreichtum auf: Adern und Haare, Kiesel und Grashalme sind mit unglaublicher Sorgfalt wiedergegeben. Selbst in seinen größten narrativen Bildern bildete er die profanen Einzelheiten der irdischen Existenz ab und zeigte zum Trocknen aufgehängte Wäsche und zerfallende Gebäude.
Die Heilige Familie mit Johannes dem Täufer und der Heiligen Elisabeth, ca. 1485-1488. Tempera und Gold auf Leinwand, 62,9 x 51,3 cm. Kimbell Art Museum , Fort Worth.
Mantegna interessierte sich zudem nicht nur für die menschliche Natur, sondern auch für moralische Fragen. Die vielleicht bemerkenswerteste Eigenart seiner Bilder sind die zahlreichen Verweise auf das klassische Altertum. Kein anderer Künstler des 15. Jahrhunderts hatte ein so tiefes Verständnis für diese Zeit und nahm in seine Werke in einem vergleichbaren Umfang die Kleidung, Stofffalten, Architektur und Inschriften sowie die Motivwahl, die ethische Haltung und weitere Aspekte des klassischen Altertums auf. Dabei ist seine Vision der griechischrömischen Zivilisation im Gegensatz zu dem kühlen Klassizismus späterer Jahrhunderte lebendig und durch eine vertraute und nostalgische Note charakterisiert.
Abstieg in die Vorhölle, ca. 1490.Tempera auf Holz, 38,2 x 42,3 cm. Privatsammlung.
Für Mantegna war die Antike eine nahe gelegene, greifbare Erscheinung, die er immer wieder zum Leben erwecken wollte. Es ist diese Sehnsucht nach einer verschwundenen Vergangenheit, die Mantegna am stärksten in den Kontext seiner Zeit einordnet. Seine Kunst wurde von seinen Zeitgenossen, die sein visionäres Bestreben, die moralische Kraft und den für die Kunst der Antike charakteristischen Realismus wieder zu beleben, teilten, sehr geschätzt.
Mantegna war eine Leitfigur der in seiner Zeit stattfindenden Regeneration der Kultur, einer Bewegung, die wir Renaissance, also “Wiedergeburt”, nennen. Im 15. Jahrhundert war die antike Zivilisation ein Entdeckern offen stehendes eigenes Universum. Sie bot eine Alternative zu der engen mittelalterlichen Welt des scholastischen Denkens und der christlichen Theologie. Die Orientierung am klassischen Altertum bedeutete die Befreiung des Geistes und die Freude an literarischen Studien. Die Künstler und Autoren der Antike erfreuten sich ungehemmt an den Reizen der materiellen Welt, eine Haltung, die Mantegna und viele seiner Zeitgenossen mit ihnen teilten.
Sandro Botticelli, Heiliger Augustinus in der Schreibstube, 1494. Tempera auf Holz , 41 x 27 cm. Uffizien, Florenz.
Die Menschen der Renaissance fanden in schon weit zurück liegenden Jahrhunderten geistige Vorfahren, die ähnlich über Tugenden und Laster dachten und deren säkulare Sensibilität eine realistische Kunst bevorzugte, die in ihrer formalen Perfektion und ihren harmonischen Proportionen gleichzeitig idealisiert war. Mantegna malte seine Visionen des klassischen Altertums für Enthusiasten, für Männer und Frauen, die im ursprünglichen Wortsinn Dilettanten waren und sich an ihren neuen Entdeckungen erfreuten. Mantegnas Leben und Werk leisteten einen Beitrag zu der feierlichen und durch eine gehörige Portion Eigenlob charakterisierten Atmosphäre, die ein wichtiges Element der Kultur der Renaissance war.
Martyrium des Heiligen Christophorus, ca. 1448-1457. Fresko. Ovetari-Kapelle, Kirche der Eremiten des Hl. Augustinus, Padua.
Einige moderne Gelehrte vermeiden den Begriff “Renaissance” und beschreiben die Kultur Italiens von 1400 bis 1600 nicht als eine Periode des Selbstbewusstseins und einer großartigen Wiedergeburt von Werten, sondern als eine Zeit widerstreitender Interessen, als eine zögerliche und widersprüchliche Welt, in der die Menschen sich vorsichtig ihren Platz in der Gesellschaft suchten. Texte aus dieser Zeit artikulieren jedoch eine Mentalität, die nicht annähernd so zögerlich und ängstlich ist, wie uns diese Wissenschaftler glauben machen wollen. Die Renaissance hatte ohne Zweifel ihre politischen Krisen und sozialen Verwerfungen. Es ist allerdings notwendig, sich das Gesamtbild vor Augen zu halten: in Italien führende Künstler, Mäzene und Intellektuelle waren der Überzeugung, in einer Zeit der Wiedergeburt zu leben und halfen mit großem Einsatz, eine neue Ordnung der Dinge zu schaffen.
Masolino, Die Heilung der Behinderten und die Auferstehung von Tabithus, 1426-1427. Fresko, 255 x 588 cm (gesamtes Fresko). Brancacci-Kapelle, Santa Maria del Carmine, Florenz
In der visuellen Welt sahen die Kunsthistoriker der Renaissance – z.B. Lorenzo Ghiberti (1378 bis 1455), Leon Battista Alberti (1404 bis 1472) und Giorgio Vasari (1511 bis 1574) – das Mittelalter eindeutig als eine dunkle Periode und ihre eigene Zeit als ein Zeitalter der Aufklärung und der Verbesserung des Menschen. Sie blickten voller Bewunderung auf die Errungenschaften der Griechen und Römer zurück und propagierten nicht etwa eine simple Imitation des Altertums, sondern traten dafür ein, die Ideale und Werte zu adaptieren, die die Gesellschaften des Altertums dem auf sie folgenden kulturellen Niedergang überlegen gemacht hatten: die Vernunft, die Akzeptanz der Naturgesetze und ethische Mäßigung.
Als deutsche Soldaten in mein Atelier kamen und mir meine Bilder von Guernica ansahen, fragten sie: 'Hast du das gemacht?'. Und ich würde sagen: 'Nein, hast du'.
Ausstellung: Guernica
Datum: vom 27. März bis 29. Juli 2018
Museum: Musée national Picasso | Paris, France
Als deutsche Soldaten in mein Atelier kamen und mir meine Fotos von Guernica ansahen, fragten sie: "Hast du das gemacht?". Und ich würde sagen: "Nein, hast du." - Pablo Picasso
Das blutige historische Ereignis, das Picasso bewegte, dieses Meisterwerk innerhalb eines Monats zu schaffen, fand kurz vor der Pariser Weltausstellung 1937 statt, wo es erstmals gezeigt wurde, nachdem es von der Regierung der Spanischen Republik in Auftrag gegeben worden war. Die Bilder und Empfindungen der dreistündigen Bombardierung und Zerstörung der baskischen Stadt Guernica durch Flugzeuge der Nationalsozialisten waren noch frisch im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Diese brutale, monochrome Arbeit war sowohl als reaktives politisches Statement als auch als Kunstwerk stark umstritten. Die Verwendung von Schwarzweiß-Tönen wurde durch Kriegsfotografien wie die von Robert Capa inspiriert. Trotz der Symbolik, die den verschiedenen Elementen seit der Entstehung des Gemäldes gegeben wurde, verhielt sich Picasso sehr geheimnisvoll in Bezug auf die Bedeutung von Guernicas verborgenen Themen und Bildern.
GUERNICA, ZUSTAND 1, 1937. Fotografien von Dora Maar
GUERNICA, ZUSTAND 3, 1937. Fotografien von Dora Maar. Photograph by Dora Maar
Es besteht nur äußerst selten die Möglichkeit, ein Meisterwerk in seinen Herstellungsphasen zu sehen. Dora Maar, Picassos Geliebte zu jener Zeit, dokumentierte das hektische Treiben Picassos im Verlauf des einen Monats, den er damit verbrachte, Guernica zu malen. Die Fotografien dieser beiden Zustände zeigen, dass Picasso einige Teilstücke im Bild während des Schaffensprozesses erst noch erfand. So ist im Zustand 1 noch eine geballte Faust an jener Stelle zu sehen, die später durch einen Pferdekopf ersetzt werden wird. Auch als Picasso begann, Farbe auf die Leinwand aufzutragen (Zustand 3), sind noch Elemente zu erkennen, die in der fertigen Version geändert wurden.
Eine der bekanntesten Figuren in Guernica – und in Picassos Gesamtwerk – ist der Stier. Viele Autoren verstehen diesen als Symbol von Spanien, obwohl Picasso auch bemerkte, dass in Guernica der Stier die Brutalität des Faschismus versinnbildlichte.
MUTTER UND TOTES KIND (IV) (STUDIE FÜR ,GUERNICA'), 1937.
Grafit, Gouache, Collage und Buntstift auf Pausleinwand, 23,1 x 29,2 cm. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía , Madrid
Obwohl die reduzierte Farbpalette eines der markantesten und aussagekräftigsten Elemente Guernicas ist, erreichte Picasso auch in vielen seiner farbigen Studien höchste Dramatik. Dies ist der Fall in diesem Bild Mutter und totes Kind, wo Picasso sogar echtes Haar an die Frauenfigur fügte. Die enge Komposition und die unruhigen, harten Linien definieren die dramatische Unmittelbarkeit.
KOPF EINER WEINENDEN FRAU (III), (STUDIE FÜR ,GUERNICA'), 1937.
Grafit, Gouache und Buntstift auf Pausleinwand, 23,2 x 29,3 cm. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía , Madrid
Von all den ikonischen Bildern, aus denen sich Guernica zusammensetzt, ist das dramatischste vielleicht die Frau, die in Not schreit, während sie ihr totes Kind in den Armen hält. Picasso fertigte viele Zeichnungen und Gemälde, auf denen weinende Frauen wie diese dargestellt sind, an. Obwohl sich diese Studie des schreienden Kopfes von der auf dem finalen Gemälde unterscheidet, erlaubt sie einen Einblick in die vielseitigen Möglichkeiten, die Picasso in Betracht zog, bevor er seine endgültige Arbeit malte. Auch zeugt es von Picassos ursprünglicher Absicht, Farbe im Gemälde zu verwenden.
Obwohl Picasso von Kindheit an das Leben eines Malers führte, wie er selbst es nannte, und obwohl er sich im Laufe von achtzig Jahren ununterbrochen in den Bildenden Künsten ausdrückte, unterscheidet er sich dem Wesen seines schöpferischen Genies nach von dem, was man gewöhnlich unter einem Künstler-Maler versteht. Es wäre vielleicht am richtigsten, ihn als Maler-Dichter zu betrachten, weil die lyrische Stimmung, das von der Alltäglichkeit befreite Bewusstsein und die Gabe der metaphorischen Verwandlung der Realität seinem plastischen Sehen durchaus nicht weniger eigen sind als dem bildhaften Denken des Dichters.
Picasso, nach dem Zeugnis von Pierre Daix, „empfand sich selbst als Poeten, der dazu neigte, sich in Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen zu äußern“. Empfand er sich immer so? Hier ist eine Präzisierung nötig. Ganz bestimmt in den dreißiger Jahren, als er sich dem Verfassen von Versen zuwandte und dann in den vierziger und fünfziger Jahren sogar Bühnenstücke schrieb. Es besteht kein Zweifel, dass Picasso immer, von Anfang an, „Maler unter Dichtern, Dichter unter Malern war“.
Picasso empfand einen starken Hang zur Poesie und war so auch selbst für die Dichter anziehend. Guillaume Apollinaire war bei ihrer Bekanntschaft erstaunt, wie genau der junge Spanier die Qualität rezitierter Gedichte „über die lexikalische Barriere“ hinaus erfühlte. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Nähe zu Dichtern wie Max Jacob, Guillaume Apollinaire, André Salmon, Jean Cocteau, Paul Éluard ihre Spuren in jeder wesentlichen Periode seines Schaffens hinterließ, und das Schaffen Picassos selbst stellte sich wiederum als eine einflussreiche Kraft in der französischen und nicht nur der französischen Dichtung des 20. Jahrhunderts dar.
Die Kunst Picassos, die visuell so unverkennbar und manchmal verwirrend dunkel und rätselhaft ist, auch als dichterische Schöpfung zu begreifen, dazu fordert die Einstellung des Künstlers selbst auf. Er sagte: „Diese Künste sind schließlich dasselbe; du kannst ein Bild mit Worten genauso schreiben, wie du deine Empfindungen im Gedicht malen kannst.“ Er hatte sogar solch einen Gedanken: „Wäre ich als Chinese zur Welt gekommen, so wäre ich nicht Maler, sondern Schriftsteller geworden. Ich hätte meine Bilder in Worten gemalt.“
Picasso aber kam als Spanier zur Welt und begann, wie man sagt, früher zu malen als zu sprechen. Bereits als kleines Kind empfand er einen unbewussten Trieb zu den Utensilien der Maler. Stundenlang konnte er in glücklicher Versunkenheit auf dem Papier nur ihm verständliche, aber ganz und gar nicht sinnlose Spirallinien ausführen, oder er zeichnete, fern von den spielenden Gleichaltrigen, seine ersten Bilder in den Sand. Eine so frühe Bekundung ließ eine erstaunliche Gabe vorausahnen.